Stellungnahme zum IQWiG-HTA-Bericht

Blasenentzündung: Helfen pflanzliche Mittel bei wiederkehrender unkomplizierter Blasenentzündung? (HT20-01, V 1.0, 07.10.2021)

Auf vielfachen Wunsch hat sich das IQWIG mit der möglichen positiven Wirkung von pflanzlichen Therapeutika bei rezidivierenden Harnwegsinfekten beschäftigt.  Die AG Wissenschaft begrüßt dies ausdrücklich. Die Auseinandersetzung des IQWIG ist gelungen und stellt sehr detailliert die ausgesprochen heterogenen Angebotssituation im Markt dar (Nahrungsergänzungsmittel vs. Arzneimittel).

Es wird festgestellt, dass die Studienlage für eine gute Bewertung zu schlecht ist und es gute randomisierte klinische Studien bräuchte, um die Wirksamkeit der Produkte bei rezidivierenden Harnwegsinfekten bewerten zu können. Dem kann die Koop nur zustimmen

Mit einigen Schlussfolgerungen des IQWIG erklärt sich die Koop jedoch nicht einverstanden, denn bei aller differenzierender Darstellung, wurde letztendlich doch wieder nur auf den Aspekt „Kosteneffektivität“ fokussiert.

Ist das noch zeitgemäß und sinnvoll?

  1. Es fällt der Satz „… Mögliche durch Antibiotikaresistenzen entstehende Kosten sind hier allerdings nicht berücksichtigt. …“ ins Auge. Die Koop macht darauf aufmerksam, dass gerade dieser Aspekt betrachtet werden sollte. Denn es ist nicht überzeugend nur damit zu argumentieren, dass die Anwender von Phytotherapeutika höhere Kosten zu tragen haben als Anwender von Antibiotika, wenn Langzeitkosten letzterer nicht in die Betrachtung einfließen. Denn langfristig entstehen immense Kosten im Gesundheitswesen, wenn derzeit noch einfach zu therapierende Infektionen aufgrund der zunehmenden Resistenzen wieder zu tödlichen Bedrohungen werden.
  2. Die Verwendung des Begriffs „Antibiotika-Prophylaxe“ wird von der Koop grundsätzlich als kritisch betrachtet. Denn bei einem öffentlichen Dokument, suggeriert dieser Begriff, dass eine solche Prophylaxe von höchsten wissenschaftlichen Kreisen als sinnvoll, notwendig, wirksam betrachtet, ggf. sogar empfohlen wird. Tatsächlich wird in den aktuellen Leitlinien große Zurückhaltung empfohlen, während der prophylaktische Einsatz von Phytotherapeutika dagegen durchaus indiziert ist.
  3. Durch oralen Antibiotikaeinsatz, wie gerade bei Harnwegsinfektionen üblich, wird nachweislich das Darmmikrobiom im Sinne einer Dysbiose nachhaltig verändert, mit der Folge eines irreversiblen Verlustes des natürlichen ausbalancierten Mikrobioms.
  4. Der Verdacht, dass die durch Antibiotikaeinsatz verursachte Dysbiose im Darm ursächlich ist für eine Reihe von Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus, Adipositas und bestimmte Allergien sowie für den erheblichen Anstieg der Autoimmunerkrankungen, erhärtet sich in den letzten Jahren durch entsprechende Studien zunehmend.

So segensreich Antibiotika sind, sollte man die punktuelle kurzfristige Kosteneffektivität nicht über alles stellen. Werden deren beeinträchtigenden Wirkungen auf das Darmmikrobiom ignoriert, verliert man die langfristigen Kosten für das Gesundheitssystem und die Konsequenzen für die Gesellschaft aus den Augen.